CHRISTINA LUX


Nach der Umarmung


Foto von Peter Tümmers



Christina Lux ist eine deutsche Musikerin, Sängerin, Gitarristin und Komponistin, die in Karlsruhe geboren wurde. Seit 1983 hat sie in verschiedenen Rockbands und Jazz-Formationen gespielt. 1998 erschien ihre Debüt-EP She is me und 1999 ihr Debüt-Album Little luxuriesDaraufhin hat sie vier weitere Albumen veröffentlicht: Pure Love (2001), Believe (2004), Coming home at last (2006) und Playground (2012) mit Reentko. Außerdem sind drei Live CDs von ihr veröffentlicht: Live aus dem Stadtgarten Köln (2003), Lux pure&live (2007) und letztes Jahr Embrace (2015) mit Bodek Janke. Sie schreibt meistens in englischer Sprache, obwohl es inzwischen auch einige deutschsprachige Songs gibt. Momentan arbeitet sie an einem neuen komplett deutschsprachigen Album, dass im Sommer 2017 erscheinen soll. Ihre schöne warme Stimme und ihre poetischen Texte werden uns hoffentlich noch lange Zeit begleiten.

Was bedeutet die Musik für Dich?

Musik ist wie ein Werkzeug für mich. Ich brauche sie um Ordnung in meine vielen Gedanken zu bringen. Ich übe äußerst selten. Es ist eher wie eine Suche nach einer Verbindung, die über Töne und Klänge leicht wird. Es ist dann nicht mehr der Kopf, der begreift, sondern es geht durch mein Herz. Das kommt oft über die Verbindung von Motorik in den Händen und Klang und natürlich den Worten. Sie sind der Motor. Ohne diese Sätze, die in meinem Kopf kreisen, würde ich keine Musik machen, denke. Die reine Beherrschung des Instruments hat mich nie wirklich interessiert.

Was sind deine musikalischen und literarischen Referenzen?

Das ist so viel. Ich bin offen für sehr verschiedenartige Musik. Wenn sie nahkommt, dann ist es gut. Ich bin meine Wege gegangen von Rock über Soul und Jazz bis hin zum Songwriter. Ich mag alles, was innig ist. So hab ich mir aus den vielen Elementen meine Art zu spielen zusammengebaut. Und dann ist da auch noch die wunderbare Möglichkeit der Improvisation. Genauso ist es mit Literatur. Sie ist mir immer begegnet, ohne dass ich aktiv gesucht hätte. Und immer war es dieses Element der Annäherung an eine tiefe Wahrheit und Ehrlichkeit, die mich beeindruckt hat. Da war Rilke, Hesse und Erich Fromm. Auch wenn ich gern und oft zitiere, würde ich mich nicht wirklich als belesen bezeichnen. Es sind kleine Ausschnitte, die ich mit mir trage und die mich erinnern.

Wenn du komponierst, denkst du meistens an deine eigenen Erlebnisse oder greifst du auch auf  Fiktion zurück?

Meine Musik kommt aus dem Prozess etwas begreifen zu wollen oder anzusehen. Es sind oft innere Dialoge, die mich bewegen. Musik und Worte machen Mut, machen Unausgesprochenes sichtbar und rütteln an eingefahrenen Mustern. Ich hab mich so oft selbst damit geweckt. Wenn ich es schaffe, ohne zu denken, einfach im Fluss zu schreiben, dann habe ich oft den Eindruck, dass mich etwas schreibt. Die hohe Kunst ist es, diesen Fluss nicht zu unterbrechen. Es sind Beobachtungen von Menschen und Bewegungen um mich herum. Poesie ist wunderbar um etwas mit einem Bild zu sagen. So entsteht ein Raum, in den der Hörer eintreten kann. Am Ende tritt er in seine eigene Geschichte hinein. Wenn das gelingt, bin ich sehr zufrieden.

In Stell dir vor singst du „ich weiß, die Zeit heilt keine Wunden dieser Art“. Wie lebst du den Lauf der Zeit?

Es gibt Dinge, die nie heilen. Ich habe gelernt, damit umzugehen und meine Narben anders zu sehen. There is a crack in everything. That's how the light gets in”, schreibt Leonard Cohen in einem seiner Songs. Dem würde ich sehr zustimmen. Solange ich verleugne, was da brodelt in mir oder es abwehre, komm ich nicht in Frieden. Mein letztes Album hieß "Embrace". Umarme das, was du bist und das, was ist. Alles. Songs waren für mich immer eine Möglichkeit Licht hineinfallen zu lassen, in das Schräge und Dunkle. Und ich glaube, dass wir immer alles in uns tragen. Das Leuchtende sowie das Dunkle. Und das ist es, was die Arbeit ist als Mensch hier in dieser Welt. Immer wieder neu hinzusehen und sich für einen weichen Weg zu entscheiden und nicht für einen harten. Die Evolution des Bewusstseins scheint enorm langsam zu sein. Es gibt viel zu viel gegeneinander und Opfermentalität in meinen Augen. Das Erstarken des Rechtspopulismus ist ein erschreckendes Beispiel dafür, dass offensichtlich die Dinge erst wieder einen Rückschritt machen, bevor der Mensch begreift, dass es so nicht aufgeht und, dass es nur im Miteinander geht. Freiheit ist ein sehr hohes Gut. Manchmal befürchte ich, dass viele eigentlich nicht damit umgehen können. Die Furcht vor der Freiheit, heißt ein Buch von Erich Fromm, und das kommt mir immer wieder in den Sinn.

In Deinem Song "Forget you" singst du „ Seems like I lost my faith when losing you”. Führt die Liebe uns immer zu Extremen?

Sie kann das Schönste in dir hervorbringen und das Hässlichste. Und im besten Fall verändert sie dich insofern, dass du nicht mehr alte Drehbücher erfüllst. Wir alle lernen Liebe so, wie sie uns begegnet. Oft ist es aber keine. Und oft hoffen wir, dass uns ein anderer ganz und wunderbar macht. Wir wenden Bedingungen und Regeln an und fürchten uns davor uns verletzbar zu machen. Liebe wächst nicht in Rüstungen. Wir spielen und manipulieren und wollen endlich gesehen sein.

Am Ende fällt es auf uns zurück. Wenn du beginnst, dich selber ernst zu nehmen in deinen Bedürfnissen, dich liebevoll mit deinen Narben und sogenannten Schwächen zu sehen, dann verändert es sich. Und dann siehst du auch immer das Schöne im anderen viel mehr als das Hässliche. Dann verändert sich das tiefe Vertrauen in seinem Landeplatz. In Forget you geht es darum das Alte ziehen zu lassen, auch wenn es einen Moment so ist, als wäre sämtliches Zutrauen verloren gegangen. Erst dann wächst wieder etwas Neues.

Und in Playground singst du „ Become a lover and you will be loved”. Ist es eine spirituelle Vision der Liebe? Manchmal ist die Liebe unerwidert, oder?

Damit ist die Liebe allgemein gemeint. Ich glaube, ich will nie aufgeben das ein liebevolles und achtsames Umgehen miteinander auch einen guten Boden bereitet für Begegnung. Wenn wir uns nicht mehr begegnen, auch im Kleinen, dann bilden sich oft seltsame Vorbehalte im Kopf. Du siehst das an all den Menschen, die ohne jemals wirklich Kontakt mit fremden Kulturen und Menschen zu haben, eine seltsame Furcht entwickeln und Rechtspopulisten all ihre Verdrehungen ungeprüft glauben. Diese Entwicklung finde ich ziemlich grausig und sie macht mich traurig. Und wenn es nur ein Lächeln ist, dass du raus schickst und das jemanden freut. Tu es und ein paar Worte breiten sich weiter aus. Ohne das wird es trist. Und warte nicht, dass jemand es tut. Weiter lieben, auch wenn es unerwidert bleibt. Für mich ist das Übernehmen von Verantwortung für mein Leben ein sehr wichtiger Punkt. Wer sich als Opfer fühlen will, wird inaktiv und macht andere für sein Elend verantwortlich, oft ohne etwas zu tun. Solange es noch Möglichkeiten gibt, bewege ich mich. Ein Kind in Aleppo könnte das nicht. Es hat keine Wahl.

Was kannst du uns über das neues Album erzählen?

Ich bin mitten im Prozess von schreiben und arrangieren. Ich lasse mir Zeit diesmal. Die deutsche Sprache klopft seit 2006 immer wieder an und nun hab ich mich entschlossen, dieses Album ganz deutschsprachig zu machen. Es geht so vieles unter, wenn ich hier auf Englisch singe, auch wenn ich es sehr gern mag. Ich will näher ran. Ich produziere mit Oliver George, mit dem ich schon zu Beginn der 80iger Jahre gearbeitet habe, an dem Album und wir arrangieren und nehmen auf. Gerade ist das Crowdfunding erfolgreich gelaufen. Ich will gern so unabhängig wie möglich bleiben mit allem, was ich tue und freu mich sehr, dass das jetzt so geklappt hat. Wir planen im nächsten Jahr im Sommer die Veröffentlichung.

Hast du schon jemals daran gedacht, einige deiner Texte ohne Musik zu veröffentlichen?

Ehrlich gesagt nein. Ist aber eine schöne Idee.

Außer der Musik, was ist das Wichtigste für dich im Leben?

Ganz herrlich kitschig: Die Liebe und das Muttersein. Das Liebe raus und rein kann in mein Herz und das ich diese Ruhe gefunden habe die Dinge, die ich liebe und die Menschen, die mir wichtig sind, um mich zu haben, so oft es nur geht.

Könntest du mir einen Traum erzählen?

Ich träume immer wieder mal, dass ich die Kabel vor dem Konzert nicht finde oder die Menschen schon weg sind, weil ich nicht schnell genug aufgebaut habe. Das passiert immer dann, wenn ich die Erde ein wenig verliere. Ich hab immer in Musik ein Wohnzimmer gesehen, in dem ich in Ruhe komme und Geschichten erzähle und Resonanz finde für meine Gedanken. Es tut gut, Räume zu öffnen und Gedanken auszutauschen. Das ist eine Zone, in der ich viel Kraft entwickeln kann. Ich denke, es ist gut, wenn man so etwas findet. Und das muss auch nichts Gewaltiges sein. Einfach ein Ort an dem Austausch passiert und man sich nicht verstellen muss. Und diesen Ort und die Leute um einen herum, immer wieder sorgfältig zu wählen, weil man einfach gut mit sich umgeht. Das ist mir sehr viel wert. Wenn du Leute um dich hast, bei denen du dich ständig kleiner machst, dann musst du gehen. Und wenn du selber merkst, dass du einen andern klein hältst, dann hör auf damit.









Christina Lux beim Konzert in Song of my life HIER


Ein Interview von Juan Carlos Romero
Christina Lux website www.christinalux.de
Foto von Peter Tümmers
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