INA RIEGLER

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Das Innere ausdrücken


Selbstporträt © Ina Riegler




Das erste, was mir in den Sinn kam, als ich das Werk von Ina Riegler entdeckte, war, dass es intensiv und impulsiv war, aber gleichzeitig eine Frucht der Reflexion. Die Idee, Reflexion und Impulsivität zu vereinen, mag widersprüchlich erscheinen, doch ist dies nicht der Fall, wenn das Zweite eine Folge des Ersten ist. Dies ist meines Erachtens der Fall bei Ina Riegler. Sie selbst beschreibt den Fokus ihres aktuellen Schaffens mit der Konzentration auf das menschlichen Verhalten. Hier setzt der zu Beginn beschriebene erste Eindruck der Impulsivität von mir ein, nämlich dass das Unterbewusstsein unser Verhalten mehr als die Vernunft beherrscht. Ina Rieglers Ansicht von der Gesellschaft basiert auf ihrer Beobachtung innerhalb ihrer Arbeit im sozialen Bereich. Sie hat sich auch theoretisch viel mit psychologischen Programmen und sozialen Stereotypen auseinandergesetzt, dessen wir in Wirklichkeit oft Sklaven sind. 

Ina Riegler wurde in 1984 in Klagenfurt, Kärnten, Österreich, geboren. Sie zeigt uns ihre Ansicht der Welt durch sehr ehrliche Striche und gibt uns auch Zugang zu ihrem tiefsten Inneren.




Was bedeutet der Kunst für Sie?

Kunst ist für mich das direkteste Mittel mein Inneres auszudrücken. Es ist aber auch der Umgang mit der Realität. Ich sehe mich als universelles Ich das mit allem in Verbindung steht und identifiziere mich so auch mit Allem. Kunst ist etwas sehr schönes, wertvolles für mich. Kunst kann und darf aber auch hässlich sein. Einige geben mir Ratschläge und sagen:“Ina, mal einmal was Schönes“. Nun, die Realität ist aber nicht immer schön und die Welt ist nicht nur schwarz/ weiß. So wie jeder Mensch strebe ich natürlich auch zu „Schönheit“ oder dem Konstrukt von „Schönheit“. Ich möchte aber nicht immer nur Blumenwiesen malen, das wäre sehr langweilig. Kunst kann für mich auch schwer definiert werden, da jeder sein eigenes Konstrukt von Kunst hat, welches wiederum in einem bestimmten Paradigma steht. Ich möchte es auch gar nicht definieren, da eine Definition das Schöne für mich zerstören würde.

Wann und wie begannen Sie, sich künstlerisch auszudrücken?

Ich zeichne und male schon seit ich einen Stift halten kann, also mit ca. 4 Jahren hab ich angefangen. Ich war ein sehr stilles, schüchternes Kind, habe aus diversen Ursachen fast nie etwas geredet. Ich litt sehr darunter und hatte das Malen als Ventil für meinen Ausdruck, es war eine Art Überlebensstrategie für mich. Ich habe nicht durchgehend gemalt oder gezeichnet, es gibt auch viele Phasen wo ich lange Zeit nichts gemacht habe, was man als künstlerische Tätigkeit bezeichnen könnte. Ich hätte gerne Kunst studiert, das war aber für mich damals nicht möglich. Ich habe also leider keine Ausbildung in diesem Bereich, vielleicht mache ich einmal eine in meiner Pension. Manchmal verwende ich auch andere Formen der Expression, wie Kollagen oder Skulpturen. Ich spiele auch Gitarre und singe in einer Musikband, hauptsächlich machen wir Indie Rock, aber auch Punk. Das schreiben von Songtexten und Melodien korreliert lustigerweise oft mit meinen Malereien. Wirklich mehr zu malen hab ich aber dann eigentlich im Jahr 2017 begonnen, da hatte ich dann auch meine erste Ausstellung in Klagenfurt.

Welche Künstler sind Ihre größten Referenzen?

Das ändert sich natürlich im Laufe der Zeit. In letzter Zeit befasste ich mich vor allem mit weiblicher Malerei. Es gibt tolle Malerinnen ab dem 16. Jahrhundert, die in der Kunstgeschichte lange Zeit ausgeklammert wurden. Die feministische Avantgarde der 70-er ist toll. Mein erster Kontakt mit weiblicher Kunst war Frida Kahlo vor vielen Jahren, ich liebe sie. Ich mag, Maria Lassnig, Tamara de Lempicka, Alice Neel und Tracey Emin. Sarah Lucas und Anna Koak liebe ich auch. Ich mag auch Jonathan Meese, ich liebe Georg Baselitz. Ich mag auch die Universalität des Leonardo DaVinci. Und natürlich Pablo Picasso.

Eines Ihres Werkes heißt “Destroy Narratives”. Was könnten Sie darüber erzählen?

„Destroy Narratives“ ist eine ganze Serie. Wenn man Großgruppenkonflikte auf psychologischer Ebene analysiert, werden kollektive Narrative und Mythen von Generation zu Generation weiter tradiert. Kollektive Narrative konstruieren Identität. In kollektiven Narrativen dominiert strukturelle, symbolische und körperliche Gewalt. Zygmunt Baumann beschreibt in „Die Angst vor dem Anderen“ die Wirkung negativer Narrative als Rekrutierungsinstrument von terroristischen oder extremistischen Organisationen und verweist dabei auch auf die Instrumentalisierungsgefahr durch Fundamentalismen und Populismen unterschiedlichster Couleur.Ich will mit meinen Werken genau diese von machthabenden konstruierten Narrative zerstören. Diese Narrative müssen zerstört werden um neue Identitäten zu gestalten. Ich verwende dies immer wieder in meinen Arbeiten.

Ein anderes heißt "Riding through the sea of patriarchy". Was denken Sie über Feminismus und Patriarchat?

Ich bin schon sehr feministisch. Habe mich theoretisch viel feministischen Theorien befasst. Das Patriarchat muss auf jeden Fall auch zerstört werden. Ich habe früher viel Gewalt erlebt und auch in meiner Arbeit sehe ich immer wieder Frauen, die mit patriarchalen Machtstrukturen kämpfen. In dem Werk „Riding through the sea of Partriarchy“ möchte ich aufzeigen, und ja es ist auch autobiographisch, wie schwer es für Frauen oft ist, egal in welchem Bereich, sich durchzusetzen bzw. durchzukämpfen. Ich erlebte in meiner Arbeit oft Frauen in der „Opferrolle“ und diese kamen auch davon auch nicht so leicht weg, bzw. gar nicht mehr. Starke Frauenbilder sind für mich wichtig und geben mir Kraft.



Riding through the sea of patriarchy 
Acryl on canvas, 50x60 cm
© Ina Riegler




Und was könnten Sie über “Capitalism destroys my face” erzählen?

Haha, das Werk hab ich in meiner Schulzeit gemacht, es ist schon sehr alt. Es ist eine Collage. Das Werk zeigt den Zusammenhang von der Gewalt des Neoliberalismus, Kommunismus und des Rechtsextremismus. Vor allem kritisierte ich in diesem Werk aber den Kapitalismus, weil er meiner Meinung nach vieles zerstört: Die Natur, sowie auch den Menschen. Er hat auch Einfluss auf die Psyche des Menschen, denn jedes Paradigma bringt auch seine eigenen psychischen Krankheiten hervor; er verwandelt Menschen in Narzissten, da jeder für sich alleine überleben muss. Somit zerstört er auch mich selbst, in universeller Hinsicht.

Es gibt ein Werk, das “I’m red” heißt. Was bedeutet Rot für Sie?

Rot ist für mich die Farbe der höchsten Intensität. Die ersten Höhlenmalereien sind rot, das liebe ich. In manchen Religionen steht sie für die Erschaffung der Menschheit. Ich liebe das Feuer. Rot bedeutet für mich auch Kraft, Leidenschaft, Kampf und Anziehung.

Warum der Title “Life and death when I was young”?

„Life and Death when I was young“ ist ein Werk aus meinem feministischem Tryptichon. In In diesem Werk verarbeite ich meine Vergangenheit. Ich wurde sehr jung früh schwanger und das war nicht leicht für mich. Es war natürlich auch sehr schön, die Schwangerschaft, die Geburt, Mutter zu sein. Es kamen von Außen aber viele Negative Einflüsse, die mich traurig gemacht haben. Sehr jung und unsicher habe ich mich damals teilweise gefühlt, das wollte ich damit einfach ausdrücken. Ich habe in diesem Werk auch den Tod zitiert, da er im Gegensatz zum Leben steht. Deshalb auch der Titel.



LOVE 
Acryl on canvas, 135x64 cm 
© Ina Riegler





Works from the series Life and death when I was young
 Both acryl on canvas 60x160 cm
© Ina Riegler




Ihre Pinselstriche sind sehr intensiv und impulsiv. Ist es ein Spiegel Ihrer Persönlichkeit?

Natürlich. Alles was ich aufs Papier bringe hat mit meiner Persönlichkeit auch zu tun. Ich bin sehr ungeduldig, auch in meiner Malerei. Ich arbeite aber daran und mein Ziel ist es, irgendwann auch die Geduld zu haben, Ölmalerei auszuhalten. Mein liebstes Mittel sind deshalb Skizzen weil sie „straight from the heart“ kommen und sozusagen am wenigsten Zeit in Anspruch nehmen.


An welchen neuen Projekten arbeiten Sie gerade?

Ich werde, sobald ich mal Zeit habe, an einer weiteren Serie für die „Vaginale 2019“, initiiert von Mag. Branko Andric, arbeiten. Ich werde dort mitmachen und freue mich schon sehr darauf. Dies ist ein internationales Festival für feministische Kunst in Wien. Das Festival möchte insgesamt den Feminismus und den feministischen Diskurs, sowie auch die künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzung in Wien fördern. Es ist ein Festival der kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung zum Thema der Geschlechterverhältnisse mit speziellem Focus auf feministische Sichtweisen und Agenden in Kunst, Kultur, Musik und Literatur.

Könnten Sie einen Traum oder eine Kindheitserinnerung erzählen?

Meine schönste Vorstellung als Kind war die Vorstellung, fliegen zu können.




Ein Interview von Juan Carlos Romero
Alle Bilder von Ina Riegler
Mit freundlicher Genehmigung von Ina Riegler
www.inariegler.com
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